Leinenaggressive Hunde

Mit Leinenaggression meinen wir nicht die Hunde, die etwas an der Leine pöbeln, sondern die, die massiv nach vorne gehen, sich an der Leine gebärden wie irre, auf den Hinterbeinen stehen und dabei laut bellend in Richtung Artgenosse vorpreschen.

Das ist ein Zustand, der für die meisten Halterinnen und Halter nicht mehr lustig ist. Man geht Wege, wo man niemanden trifft, man geht zu Unzeiten mit dem Hund spazieren, man bewaffnet sich mit Wasserflasche und andere Utensilien. Man hat schon vieles probiert, aber bislang erfolglos.

Leinenaggressive Hunde stellen sich jede Woche bei uns in der Hundeschule vor. Vielfach sind die Halter*innen verzweifelt und wissen einfach nicht mehr weiter.  Hilflosigkeit stellt sich ein.

Ein echter Teufelskreislauf.

Die Gründe für Leinenaggression sind genauso vielfältig wie die Methoden, die Abhilfe versprechen.

In den letzten Jahren haben wir uns intensiv mit der Thematik beschäftigt. Diverse Methoden durchleuchtet: von positiver Verstärkung über Management bis hin zu klarer Führung und Abbruch des Verhaltens.

Zuerst müssen wir aber die Ursache finden, dann erst in die Symptombehandlung gehen. Was spielt sich bei dir im Kopf ab, wenn du auf einen Artgenossen triffst?

Wo überall trifft dein Hund denn sonst noch Entscheidungen? Wir öffnen dir die Augen dafür. Trifft er sie zu Hause, wird er sie auch in der Hundebegegnung treffen.

Bietest du deinem Hund Schutz und Sicherheit oder muss dein Hund Begegnungen alleine regeln? Hast du ihm das Feld bereits ganz überlassen? In welchen Bereichen des Zusammenlebens ist das noch so?

Wir schauen uns jedes Hund-Halter-Team dahingehend genau an und suchen die passende Methode bzw. Herangehensweise. Diese kann von Hund zu Hund deutlich abweichen, daher ist es wichtig, die verschiedenen Methoden in Theorie und Praxis zu kennen und umsetzen zu können.

Durch Einsatz unserer Dummyhunde schauen wir, was der Hund von sich aus anbietet, wenn er an langer Leine auf einen Artgenossen trifft. Viele Hunde zeigen ein für den Halter überraschendes Verhalten.  Etliche Hunde wollen einfach nur beeindrucken, gerne nennt man sie Poser, Blender oder Schaumschläger. Sie machen eine Riesenschau und auf Höhe des Artgenossen, laufen sie schnellst möglich daran vorbei. Wir zeigen dir, wie du schon möglichst früh erkennen kannst, was dein Hund im nächsten Schritt vorhat. Wir hindern ihn am Vorwärtsdenken und -handeln.  Hunde zeigen häufig in Hundebegegnungen immer die gleichen Verhaltensabläufe. Manchmal ist Leinenaggression hoch ritualisiert, so dass das Verhalten reflexartig abgespult wird. Erlerntes Verhalten!

Hinter Leinenaggression steckt oft maskierte Angst und Unsicherheit. Die kann sich aus Sicht der Halter in reinem Aggressionsverhalten zeigen.

Natürliche Fluchtmöglichkeiten (die 4 Fs) oder Handlungsstrategien sind einem Hund in der Hundebegegnung nicht möglich. Er fühlt sich „festgenommen“. Was bleibt, ist i.d.R. der Angriff nach vorne. Die kurz genommene Leine ist für viele Hunde bereits das Hinweissignal für „jetzt geht gleich die Party ab“.  An der kurzen Leine riecht der Hund umso mehr, den Angstschweiß in den Händen der Halter. Der Hund liest unseren Gemütszustand, er beobachtet uns nicht nur in dieser Situation. Er weiß bereits, wie wir mit Konflikten und schwierigen Situationen umgehen. Er liest uns wie ein offenes Buch.

Viele Stellschrauben, an denen gedreht werden muss, damit Leinenaggression in den Griff zu kriegen ist. Manchmal geht das überraschend schnell, manchmal dauert es Monate.

Auf jeden Fall ist es so, dass man bereit sein muss, an sich selbst zu arbeiten!

In der Regel sind Hunde nicht auf Konfrontation und Beschädigungsbeißen aus. Hunde kommunizieren bei Hundebegegnungen sehr fein miteinander. Dafür schärfen wir deinen Sinn. Du erkennst, wann du einen Hund passieren kannst und wann es besser ist, sich geordnet zurückzuziehen. Das ist keine Schande, manchmal einfach eine gute Entscheidung – auch aus Sicht deines Hundes.

Sprüche, wie: Da muss der Hund durch bringen keinen Erfolg. Sie bringen den Hund und die Halter nur in eine stressige Situation, die man hätte vermeiden können. Der Hund sollte dieses Verhalten einfach nicht mehr lernen und weiter festigen.

Eine gute Leinenführigkeit und u.E. auch ein guter Grundgehorsam sind ein erster wichtiger Schritt, Übungen zur Impulskontrolle und Frustrationstoleranz sind essentiell, auch das Abbrechen der Handlung des Hundes kann bei bestimmten Hunden sehr erfolgreich sein. Ich muss es aufbauen und sicher anwenden können. Es gäbe hier noch viel über Blick, Blickrichtung und Blick abwenden zu erzählen, aber das führt hier zu weit.

Die Arbeit beginnt bei den Haltern. Wir erarbeiten gemeinsam im Team Lösungen für die Begegnung an der Leine. Wir zeigen euch wie ihr wieder Ruhe, Souveränität und Klarheit in die Situation bringt. Auch dann, wenn der Hund wieder ausgelöst hat. Lasst euch davon einfach nicht beeindrucken. Vor allem hört nicht hin, wenn Menschen mit viel Meinung und wenig Wissen auf euch einreden und euch die Welt der Hundebegegnung erklären.

Zum Schluss: Ich weiß noch, wie ich das ruhige Schauen eines Hundes zum Artgenossen geclickt und mit Futter belohnt habe. Diesen Hund habe ich Schritt für Schritt für sein erwünschtes Verhalten hochwertig belohnt. Das Anschauen des Hundes in der Entfernung war der erste Meilenstein für das weitere Vorgehen.

Die Aussage eines Passanten, die ich nicht so schnell vergessen werde: „ Boah, jetzt wird der Hund für das Fixieren eines anderen Hundes auch noch belohnt!“

Versteht ihr, was ich meine?

Wir clicken nicht jeden Hund, aber bei manchem Hund kommt das sehr gut an und hilft ihm, mit der Situation umzugehen. Der neutrale Click ist in manchen Situationen besser als unsere eigene Stimme.

Diesem Thema habe ich mich mit viel Leidenschaft gewidmet und schon manch „schwierigem Fell“ entspanntere Hundebegegnungen ermöglicht.